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Dieser Artikel besteht aus zwei Teilen: Zum zweiten Teil.

Waschmaschinen-Oldtimer AEG Turnamat, Bj. 1966

Sommer 2020: Nach 54 Jahren regelmäßiger Nutzung geschieht das Undenkbare: unsere AEG Turnamat bleibt beim Schleudern urplötzlich stehen!
Natürlich hatte man immer geahnt, dass es einmal so weit kommen würde – und vorsorglich längst einen modernen Frontloader neben die alte Dame gestellt. Aber irgendwie ist es dann doch überraschend ...

So schaut sie jedenfalls aus:

Und so das Bedienfeld:

Eine erste Analyse ergab, dass die Schleuderdichtung undicht geworden und Wasser über den Pumpenmotor gelaufen war, wodurch ein Fehlerstrom entstand. Nach dem Wiedereinschalten des FI lief die Maschine zwar wieder, aber dennoch musste die Undichtigkeit natürlich beseitigt werden.

Zum Ausbau des Schleudermotors müssen zunächst die fünf Aufhängegummis gelöst werden:

Zum Lösen der Hutmutter in der Schleuder eignet sich ein Schlagschrauber oder - wenn grad keiner zur Hand ist - zwei Rätschenverlängerungen mit aufgestecktem Knebel. Ein kräftiger Hammerschlag auf die Querstange und schon sollte sich die Hutmutter lösen:

Auf die hiernach sichtbare Motorwelle setzt man eine stabile Stahlstange auf (und am besten eine Holzscheibe mit Loch in der Mitte, damit man beim Abrutschen nicht unnötig die Beschichtung der Trommel beschädigt). Dann ein kräftiger Schlag mit dem 5-kg-Hammer und schon fällt der Schleudermotor weich in das vorausschauend untergelegte Polstermaterial.

Die alte Dichtung war nicht mehr zu retten, aber auch nicht trivial nachzubauen, da sie eigentlich eine Art Membran darstellt.
Ich habe es wie folgt versucht: Um die unterschiedlichen Durchmesser vom Halslager des Motors und vom Ausschnitt in der Schleuderkammer zu überbrücken ...

... fertigte ich eine Scheibe aus einem ca. 1 cm starken Gummiplattenrest.
Um die Höhe zu überbrücken, schnitt ich zudem ein Stück von einem Schlauch ab, wie man sie in den 60ern noch in Autoreifen verwendete. Der Durchmesser passt jedenfalls perfekt zum Ausschnitt in der Schleuderkammer. Und damit der Schlauch stabil in der umlaufenden Nut des Ausschnitts sitzt, kam unten noch ein Stück Gummi rein.

Leider zeigte sich, dass die große Gummischeibe zwar perfekt die unterschiedlichen Durchmesser überbrückt, aber das Gesamtgebilde zu unflexibel ist, um die Schleuderbewegungen mitzuvollziehen.
Außerdem zeigte sich, dass die große Gummischeibe unnötig ist, da dort oben beim Schleudern normalerweise kein Wasser hingelangt. Es genügt, den Schlauch mit dem eingeklebten Gummiabsatz nach Art einer Halskrause auf die umlaufende Nut des Ausschnitts zu setzen und alles bleibt trocken!
So war die Maschine also mit geringem Aufwand gerettet.

 

Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit

Erzählt man Zeitgenossen, dass man so eine alte Waschmaschine besitzt, kommt natürlich sofort die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit auf. Hierzu kann Folgendes gesagt werden:

  • Die alte Maschine wäscht weißer als heutige Maschinen - vermutlich weil sie mehr Wasser verwendet. Will man bei den neuen Maschinen ebenfalls schneeweiße Wäsche bekommen, sind chemische Zusätze erforderlich, die Kläranlagen und Umwelt unnötig belasten.
  • Als Toploader kann die AEG Turnamat mit Regenwasser betrieben werden - das fällt kostenlos vom Himmel. Oben drei Eimer reinschütten, sodass die Trommel bis ca. zur Hälfte gefüllt ist, und los geht's!
  • Das regelmäßige Entkalken und evtl. damit verbundene Reparaturen entfallen dank kalkfreiem, weichem Regenwasser - spart Geld und schont die Umwelt!
  • Die alte Maschine wäscht viel schneller, aber mindestens genauso gründlich.
  • In den fünf Jahrzehnten, die diese Maschine nun läuft, wären heutige Maschinen schon mindestens 5 x ersetzt worden. Der Energieaufwand und die Sondermüllabfälle bei der Produktion lassen die neuen Wegwerf-Maschinen vom ökologischen Gesichtspunkt aus alt aussehen.
  • Die Waschlauge kann nach dem Waschgang in einer Wanne aufgefangen und fürs Schrubben grob verunreinigter Böden verwendet werden - sehr wirkungsvoll, selbst wenn man es selten braucht.
  • Der häufigere Anwendungsfall: Die Waschlauge des ersten Waschgangs (nur leicht verschmutzte Weißwäsche) mit etwas zusätzlichem Waschpulver erneut in die Waschtrommel schütten und für die Buntwäsche verwenden. Die Waschlauge hat bereits annähernd Arbeitstemperatur, sodass die Energie zum Aufheizen des nächsten Waschgangs zum größten Teil eingespart wird.
  • Abgesehen davon: Der Wirkungsgrad der Heizwendel liegt seit 100 Jahren bei 100 % - und daran wird sich auch in den nächsten 100 Jahren nichts ändern.
  • Und wenn doch mal was sein sollte: Dank servicefreundlichem Aufbau kommt man überall gut ran und kann Reparaturen leicht selbst durchführen.

 

Dokumentation

Ich besitze die folgenden Unterlagen zur AEG Turnamat:

  • Die originale Betriebsanleitung,
  • den originalen Kaufbeleg,
  • zwei Schaltpläne (Seiten 294 1220 11...14 der originalen Werkstattliteratur) und
  • eine Ersatzteilzeichnung (Seite 290 1220 13).

Interessant ist auch ein Spiegel-Artikel, der zeigt, wie Anfang der 60er-Jahre Waschmaschinen an den Mann oder die Frau gebracht wurden. Des Weiteren sind auf der Website der Deutschen Digitalen Bibliothek Fotos der AEG Turnamat zu bestaunen, die anno 1960 dem Deutschen Rat für Formgebung überreicht wurden.

Falls Sie weitere Unterlagen, Informationen, Ersatzteile o. dgl. zur AEG Turnamat besitzen, würde ich mich freuen, wenn Sie mir einmal schreiben (siehe "Kontakt" auf der Startseite).

 

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© 2021 Merten

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